Meine Füße trugen mich weiter in den Wald. Ich vernahm das friedliche Zwitschern der Vögel, die irgendwo in den Baumkronen hausten. Die Sonne schien durch das überwiegend grüne Laub der Blätter. Der Herbst zeigte jedoch bereits die ersten Anzeichen seiner Präsenz, sodass einige Blätter bereits einen gelblichen Ton angenommen hatten. Es war ein prächtiger Anblick. Ich hielt erst an, als ich bei einer Lichtung ankam, welche ich mir genauer betrachtete. Es war ein schönes Fleckchen Erde, die von einer Blumenwiese überzogen war. Ich meinte, das leise Plätschern eines Baches zu vernehmen, doch sicher war ich mir nicht. Es erschien mir wie der perfekte Ort, um zu entspannen. Man könnte sich in das sicherlich recht weiße grüne Gras legen und seine Augen schließen. Während man dem Schauspiel der Natur lauschte, würde dieser einen in den Schlaf wiegen. Ich lächelte kurz. Leider suchte ich keine Entspannung.
So trugen meine Beine mich weiter, ich ging tiefer in den Wald. Ich fürchtete mich nicht davor, mich hier zu verlaufen. Ich kannte mich hier auf dieser Strecke aus. Irgendwann wurde es ein wenig dunkler, dennoch war es noch relativ hell, an jener Stelle hielt ich in meinen Schritten inne. Ich suchte nach einem bestimmten Baum, welchen ich als meinen Baum gerne bezeichnete. Das hatte einen einfachen Grund: das war nämlich der Baum, an welchem ich all meinen Frust herausließ. Ich hatte ihn mit einer speziellen Matte umspannt, sodass man auf diesen einschlagen konnte. Es war ein Baum mit einem breiten und starken Stamm. Ich war kein Übermensch, weswegen dieser Baum meinen Faustschlägen schon standhalten würde. Das hoffte ich zu mindestens.
Ich stellte meine Schultasche ab und stellte mich dann vor den Baum. Meine Augen glitten diesen empor. „Mache dich auf etwas gefasst…“, warnte ich ihn, als könnte er mich hören. Selbst wenn Bäume einen hören und verstehen könnten, so würde ich niemals deren Antwort kennen. Ich holte zum ersten Schlag aus und traf die Matte. Ich beließ es nicht bei einem Schlag. Mehrere Male schlug ich abwechselnd ein. All die Enttäuschung, die ich gespürt hatte, hatte sich zunächst in Schmerz umgewandelt. Da ich diesen nur ungern durch Tränen versuchte zu bekämpfen, wählte ich den für mich bequemeren Weg. Ich ließ ihn zu Wut werden, die ich mithilfe von Gewalt immer wieder freiließ. Schlimmer wäre es ja, wenn ich die betroffenen Personen tatsächlich schlagen würde. Ich wollte keinen Vermerk in meiner Akte. Denn welcher Arzt schlug seien Mitmenschen? Keiner. Also musste ich mich eigentlich auch dem entsprechend verhalten, was einfacher gesagt als getan war.
„Blöde, eingebildete Ino, die denkt, dass sie jeden haben kann!“, stieß ich aus und schlug mehrere Male los, dabei auch immer wieder nach Luft holend, da es eben nicht spurlos an mir vorbeiging, dass ich gerade meine Wut entlud. „Oberflächliche, pubertierende Jungs, die ihr nachlaufen!“, ratterte ich weiter und ich meinte den triefenden Zorn zu spüren, welcher immer deutlich zu werden schien, je weiter ich machte. Doch fühlte es sich befreiend an, weswegen ich meine Tätigkeit fortsetzte. „Nichts checkender Naruto, der nicht nur mir das Leben schwer macht!“, fauchte ich und dachte dabei insbesondere an die arme Hinata. Also wirklich! Wie konnte er so einem lieben und süßen Mädchen gegenüber sich so verhalten und dann noch nebenbei mit ihrer besten Freundin flirten? Der Kerl besaß wirklich kein Taktgefühl! Ich hielt inne und nahm weitere tiefe Atemzüge. Wahrscheinlich bildeten sich bereits die ersten Schweißperlen, doch das machte mir nichts aus. Was kümmerte mich gerade mein Aussehen? „Und zu guter Letzt…“, begann ich und machte weiter, „…dieser verdammte arrogante Uchiha, welcher sich einfach alles erlaubt und denkt, dass er damit durchkommen wird! Davon träumst du wohl! Mir solche Hoffnungen zu machen, nur um alles zu zerstören!“ Vielleicht zwar ich zum Ende viel zu laut geworden, aber mich hörte doch eh keiner.
Heftig verschnaufend sank ich schließlich auf die Knie. Meine Hände schmerzten bereits durch das unaufhörliche Zuschlagen. Dem Anschein nach hatte ich wohl ein wenig übertrieben. Mit ungeschützten Händen so etwas zu machen, würde nur ein Idiot machen. Aber ich habe es völlig bewusst durchgeführt. Zu mindestens dachte ich das. Vielleicht wollte ich auch diese Schmerzen. Ich positionierte mich anders, sodass ich an den Baum gelehnt saß. Die Knie zog ich zu mir, während ich meine Beine mit meinen Armen umschlang. Die Wut war tatsächlich verraucht. Aber damit hatte ich gerechnet. Wozu hatte ich denn sonst das hier über mich ergehen lassen? Ich schielte auf meine Hände, welche gerötet waren. Die Knöchel waren sogar aufgeschürft. Ich hatte wohl ein wenig zu viel Stärke in die Schläge gesteckt. Und was mache ich jetzt? Den restliche Tag hier verbringen und kurz vor Nachteinbruch mich auf mein Zimmer begeben? Mich wird sicherlich ohnehin keiner aufsuchen. Die sind alle mit ihren eigenen Dingen beschäftigt, was auch immer das auch sein soll. Ich seufzte und strich mir die Strähnen nach hinten, die nach vorne gerutscht waren. Ich habe Sasuke noch gestern gesagt, dass ich das Beste für ihn wollte, weswegen ich bereit war, alles für ihn zu geben. So dachte ich nach wie vor, aber das hatte nicht zu bedeuten dass er sich jemand anderen suchen sollte. Das vermittelte mir das Gefühl, dass ich ihm letzten Endes doch nicht gut genug war. Wieso hat er mir das nicht einfach gesagt? Ich hätte es schon irgendwie überlebt. So schwach bin ich nicht! Er hätte wirklich nicht so etwas veranstalten müssen...
Noch mehr frustrierte mich aber gerade wohl die Tatsache, dass ich es ihm jetzt noch übel nahm, was er abgezogen hatte, doch ich würde ihm es früher oder später verzeihen, ob ich es wollte oder nicht, war eine völlig andere Frage. Denn ich liebte diesen Kerl. Diese Liebe hatte schon vor einer gefühlten Ewigkeit ihren Anfang genommen und ich war nicht bereit dazu, sie einfach mal los zu lassen. Ich wollte weiterhin daran festhalten können, schließlich hatte es auch ihre guten Seiten gehabt. Ein weiterer Seufzer verließ meine Lippen. Wie sollte ich ihm morgen gegenüber treten? Sollte ich ihn dieselbe Ignoranz entgegen bringen? Vielleicht würde er wenigstens ein schlechtes Gewissen bekommen. Und wenn ich ihm wichtig genug wäre, dann sollte er sich dafür entschuldigen, dass er so etwas mit mir abgezogen hatte. Wenn er nicht einmal das fertig bringen würde...eigentlich wollte ich daran gar nicht denken.